Trocken Rocken Mit Dogs & Dolls Trock`n Roll Band / Ramona & Peter - Psychologische Suchtberater/in
Der Rückfall beginnt meist schon lange vorher im Kopf
Eingeleitet wird ein Rückfall nicht nur von einem Mangel an festem Vorsatz bezüglich der Abstinenz,
sondern bisweilen paradoxerweise von einem Zuviel an guten Vorsätzen. Wenn man sich nämlich in
dem ersten "Höhenrausch" (Euphorie) der Abstinenz zu viel vornimmt, dann wird die Umsetzung
schwierig und es entsteht eine Unzufriedenheit mit sich selbst. Wird diese Unzufriedenheit dann zu
einem Dauerzustand, entsteht daraus bald das Verlangen nach Erleichterung: Im Bewusstsein des
Betroffenen bildet sich der Eindruck, dass sich die Abstinenz eben doch nicht "lohnt".
Hinzu kommt, dass Abhängige, denen Anerkennung von außen sehr wichtig ist, diese nur anfangs für
die abstinente Lebensführung erhalten. Mit der Zeit wird diese Lebensweise für die anderen
selbstverständlich, so dass niemand mehr den Alkoholiker dafür lobt oder ihm Anerkennung zollt, was
ihn enttäuschen mag.
Das Ausmaß und die Wucht des Rückfalls werden außerdem oft noch davon mitbestimmt, wie lange der
Betreffende abstinent gelebt hat und was er damit verbindet. Es scheint, dass Schuld, Scham und
Selbstverachtung wegen der Rückfälligkeit um so größer sind, je länger die Abstinenz
schon dauert. Wer nicht Tag für Tag abstinent lebt, sondern die Abstinenztage wie einen Berg Geld
auftürmt, der verliert natürlich besonders viel, wenn er mit einem Rückfall alles "Ersparte" in einem
großen Loch verschwinden sieht:
Mit einem einzigen Glas ist man kein Abstinenter mehr! Man ändert schlagartig seine Identität von
"abstinent" in "rückfällig", so dass es dann schon völlig egal ist, wie viel man trinkt. Und jeder
Alkoholiker weiß, dass Selbstvorwürfe und Schamgefühle zwar nicht verschwinden, wenn man trinkt,
dass sie aber doch irgendwie erträglicher werden. Wer sich also selbst mit übersteigerten
Selbstvorwürfen überschüttet, entlastet dadurch zwar sein Gewissen in bestimmter Weise, aber er
verschlimmert eventuell eher noch den Rückfall. Deshalb empfehlen wir eine andere Denkweise.
Der Rückfall ist aber nur zum Teil eine Frage der Willenskraft, des Denkens oder der Dummheit.
Zuallererst ist er ein Produkt des Ausweichens und der falschen Sicherheit: Die meisten weichen
jeglicher Beschäftigung mit dem Rückfall von vornherein aus, zum Beispiel mit der
Begründung: "Das ist kein Thema mehr für mich, denn ich will ja nicht mehr trinken".
Da aber Willenskraft etwas Veränderliches ist und aus vielen Quellen gespeist wird, sollte jeder seine
eigenen Rückfälle während der Therapie quasi "im Sandkasten bauen", das heißt in Gedanken und mit
Hilfe der anderen Gruppenmitglieder mögliche Anlässe und Verhaltensweisen für kritische
Lebenssituationen durchspielen. Keine Angst! Dadurch bereitet man den Rückfall nicht vor, sondern
durchkreuzt ganz im Gegenteil einige der unbewussten Programmierungen dafür.
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© Copyright Ramona & Peter - Trock`n Roll Band | Letzte Änderung: 21.06.2016