Trocken Rocken Mit Dogs & Dolls Trock`n Roll Band / Ramona & Peter - Psychologische Suchtberater/in
Trink(un)sitten
Warum wird nun überall, wo wir Menschen gesellschaftlich zusammenkommen, ein Gift angeboten,
das uns ausgerechnet um diesen Verstand und um diese Vernunft bringt?
Der Widersinn des Trinkens
Wenn ein Mann betrunken durch die Straßen läuft, sagt man verächtlich: „Das besoffene Schwein!"
Das ist eine Beleidigung - für das Schwein, denn das säuft ja nicht. Aber der Mensch, der betrunken
ist, ist doch kein Mensch mehr. Er ist wie ein Geisteskranker, er benimmt sich ohne Verstand und
menschliche Würde. Ein Geisteskranker kann nichts dafür, dass sich sein Geist verdüstert hat. Wir
Gesunden haben aber Verstand und tun alles, um ihn loszuwerden. Und daraus machen wir eine
gesellschaftliche Sitte - und einen Trinkzwang.
Trinkanlässe
Wie albern aber ist dieser Kult, den wir mit dem Götzen, dem Alkohol, treiben! Von nichts anderem als
vom Alkohol ist bei so vielen Gelegenheiten die Rede. Jedes Ereignis wird mit Alkohol begossen, sei
es, dass ein Kind geboren, sei es, dass die Großmutter gestorben ist. Die Fußballer: haben sie
verloren, gehen sie saufen; haben sie gewonnen, saufen sie aber auch. Im Sommer trinken alle, weil
es warm ist, im Winter wiederum den Schnaps, weil es kalt ist. Der eine hat die Flasche am Bett stehen
und sagt, dann kann er besser einschlafen; der andere will wach bleiben und sich in Gesellschaft
anregen lassen. Das widerspricht sich doch alles. Reißen Sie doch einmal dieser Trink(un)sitte die
Maske herunter!
Und noch etwas anderes: wenn jemand eine Tasse Kaffee aufbrüht, ein Glas Milch oder Saft trinkt,
gibt er nie einen Grund dafür, an. Aber wenn jemand Alkohol trinkt oder anbietet, gibt er sehr oft eine
Erklärung ab, weshalb er es tut. Unbewusst haben diese Menschen anscheinend alle ein schlechtes
Gewissen dabei. Und darauf ist es wohl auch zurückzuführen, dass mit der Trinksitte ein gewisser
Zwang ausgeübt wird.
Trinkzwang
Dieser durch die Trinksitte ausgeübte Zwang ist das größte Übel. Man kann in einer Gesellschaft
Kaffee ablehnen und Kuchen, eine Zigarette und auch ein Eisbein, das nimmt keiner übel; wenn man
aber Alkohol ablehnt, ist man unhöflich: „das kannst du mir doch nicht antun - aber einen kannst du
doch mittrinken - du bist ein Heini - du bist 'ne Pfeife - du traust dich nicht!" (So die Männer
untereinander.) Wenn jemand sagt: „Ich rauche nicht.", dann sagt keiner: „Aber eine kannst du doch
rauchen!" Aber wenn einer meint: „Ich trinke nicht.", dann geht ein großes Gerede los. Auf der einen
Seite sprechen wir doch immer von Freiheit - wenn aber jemand Apfelsaft oder Kaffee trinken will,
dann hört die Freiheit schon wieder auf: „Du kannst dich doch nicht ausschließen - ich muss das
meinen Gästen vorsetzen." In welchem Gesetzbuch steht das eigentlich?
Aber wie leicht ist man später dabei, den Stab über einen Menschen zu brechen, den man vielleicht
selbst einmal auf diese Weise zum Trinken verführt hat. Keiner weiß bei seinem ersten Glas, wie er
veranlagt ist.
Diese Trinkunsitte, dieser Trinkzwang, beruht wiederum darauf, dass Alkohol neuen Durst macht.
Wenn fünf Mann nach der Arbeit, am Feierabend, zusammensitzen und ein Glas Bier trinken wollen
und einer eine Lage schmeißt', dann müssen auch die anderen vier eine Lage ausgeben. Wiederum: In
welchem Gesetzbuch steht das eigentlich? Alle haben fünf Glas getrunken und bleiben länger sitzen,
als sie wollten, und richten vielleicht noch Unheil an. Die Männer können nicht tun, was sie wollen,
wenn es um Alkohol geht. Wenn einer aber ein Kännchen Kaffee spendiert, so wird dieses eine
Kännchen getrunken, alle sagen nur Dankeschön' und gehen nach Hause. Warum? Weil man fünf
Kännchen Kaffee nicht hintereinander trinken kann.
Bei einer Hochzeit, einer Geburtstagsfeier oder einem Jubiläum haben die Leute ein Rauschgift im
Glas. „Das trinke ich auf dein Wohl, auf deine Gesundheit!" Mit Kaffee oder Saft wird das nicht
gemacht, weil man eben - wie gesagt - davon nicht so viel trinken kann. Nehme ich nicht lieber ein
Kotelett oder ein Stück Kuchen auf die Gabel und sage: „Das esse ich auf dein Wohl!"? Ich überspitze
absichtlich mit einem solchen Beispiel, um zu zeigen, wie widersinnig dieser Kult um Alkohol ist. Aber
wer macht sich darum schon einmal Gedanken!
Kinder und Alkohol
In diese Trinksitte hinein erziehen wir auch schon unsere Kinder. Die sehen doch, wenn zu Hause
Geburtstag gefeiert wird oder Onkel Otto da ist: immer steht Alkohol auf dem Tisch. Und wenn das
Kind Saft bekommt, dann weiß es genau: ich habe nur Saft, wenn ich erst groß bin, dann darf ich aber
auch Alkohol trinken. Die Kinder haben Weinflaschen für den Kaufmannsladen, Weingläser für die
Puppenstube, Wagen mit Bierfässern.
Die Parallele hierzu ist die Schokoladenzigarette. Man schenkt sie dem kleinen Jungen, amüsiert sich,
wenn er dem Vater alles nachmacht; aber wenn er mit zwölf Jahren bei einer heimlichen echten
Zigarette erwischt wird, reagiert man mit Empörung und Verbot. Es gibt 14- bis 15jährige, die sind
schon so abhängig vom Gift Nikotin, weil es ein Suchtgift ist, so süchtig, dass sie am Automaten
stochern, weil ihnen das Taschen- oder Lehrlingsgeld nicht mehr ausreicht. Werden sie erwischt,
stehen Polizei und Fürsorge ins Haus. Zwar ist man in Bezug auf Nikotin so weit, die vor einigen
Jahren erlaubten Raucherzimmer für Schüler wieder abzuschaffen - in Bezug auf den Alkohol ist man
offensichtlich noch nicht so weit, die Jugendlichen vor Schäden zu bewahren. Erfahrungsgemäß
kommen hin und wieder Schüler angetrunken zum Unterricht. Oft genug verkauft der Kiosk neben der
Schule nicht nur Kaugummi, Hefte und Eis, sondern auch Büchsenbier.
Spätestens bei der Konfirmation bekommen die Kinder von den eigenen Eltern das erste Glas Wein:
„Heute bist du erwachsen, heute darfst du ein Glas Wein trinken!" - Was hat das Erwachsen-Sein mit
einem Rauschgift zu tun? Wir geben einem Konfirmanden ja auch keine Viertel-Spritze Morphium, weil
er erwachsen ist. Vergleichsweise sollte man die Gebräuche um den Alkohol ruhig einmal auf eine
Linie mit den anderen Giften stellen, dann sieht man, was für ein Unrecht diesen jungen Menschen
geschieht. Und nach ein paar Jahren ringen die Eltern vielleicht die Hände: „Was ist aus unserem
Kind geworden!"
Alle haben nur mit einem Glas angefangen, aber keiner weiß, wie er veranlagt ist. Und dieses erste
Glas schmeckt dem Konfirmanden eigentlich nicht einmal. Aber das lässt er sich nicht anmerken, er
möchte ja erwachsen sein. So merkwürdig sind die Wertbegriffe, die wir mit dem Alkohol verbinden.
"Geschmack" des Alkohols
Setzt man einer Katze oder einem Hund Cognac vor, dann verkriecht sich das Tier. Tiere haben noch
den Instinkt, dass dies Gift ist und verhalten sich danach. Auch wir Menschen haben diesen Instinkt,
doch wir leben nicht mehr danach. An Bier- und Weingeschmack kann man sich vielleicht gewöhnen,
an Schnaps gewöhnt sich keiner. Da kann einer zwanzig Jahre in seinem Leben getrunken haben, er
schüttelt sich immer wieder einmal beim ersten Schnaps. Die Natur ist wach in uns und zeigt uns, was
richtig ist. Beim zweiten, dritten Schnaps erst sagen die Leute, es schmeckt`, - es schmeckt eigentlich
immer noch nicht, der Geschmack des Getränks hat sich ja nicht geändert, sondern die
Geschmacksnerven sind betäubt. So schnell wirkt der Alkohol auf das Gehirn ein.
Was dann ein Mensch in sich hineinkippt, dafür hat er kein Gefühl mehr. Es ist, als ob sie alle Sand
und Wasser in die (menschliche) Maschine schütten und sich dann noch wundern, wenn diese nicht
mehr läuft. _Wir wundern uns oft, wie lange sie läuft. Da hat es jedes Auto besser: Stundenlang
können die Männer ihre Autos pflegen, da wird Öl gewechselt, da wird abgeschmiert. Für das Auto, für
diese Maschine wird alles getan ... Und wenn sie damit fertig sind, stecken sie sich eine Zigarette ins
Gesicht - und abends wird getrunken. Das Auto hätte bei einer solchen Behandlung längst gestreikt.
Quelle:Herta Tenter: Alkohol als Lebensproblem
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© Copyright Ramona & Peter - Trock`n Roll Band | Letzte Änderung: 21.06.2016